Mein Leben begann im März 1986 als kleiner gesunder Bub im
Schwabenland.
Im Juni 1988 änderte sich dies. Ein Lymphknotenabszess versetzte
die Ärzte in Alarmbereitschaft und meinen Eltern einen Schock.
AKUTE LYMPHATISCHE LEUKÄMIE (Common ALL Typ 2).
Die Behandlung dauerte bis 1990. Bei Leukämien galt damals die
Regel: Wenn 10 Jahre nach Erkrankung nichts neues Auftritt gilt man
als geheilt. Dies war dann 1998 der Fall.
In der Zwischenzeit lebte ich eine glückliche Kindheit und eine
Jugend mit allen Höhen und Tiefen, die dazugehören und galt dann
als geheilt. Es war soweit ich mich erinnern kann eine Zeit in der
ich sehr glücklich war. Selbstverständlich auch mit den üblichen
Problemen und Sorgen, die jeder junge Mensch mit sich herumträgt.
Meine Schulzeit und Ausbildung verliefen reibungslos und darum
entschloss ich mich dazu die Fachhochschulreife nachzumachen und
meinen Traumberuf zu studieren.
Damit begann ich 2006 zum Wintersemester. Alles lief wunderbar
bis...
Ich glaube Ende 2007 hatte ich das erste Mal Migräne. Und was
macht man, wenn man Migräne hat, man geht zum Arzt und lässt sich
was dagegen verschreiben. Da junge Menschen ja nichts schlimmes haben
wurden mir gegen die Nackenverspannungen damals auch nur ein paar
Massagen verschreiben und mir empfohlen mehr Sport zu machen. In
regelmäßigen Abständen kam die Migräne trotzdem wieder. Oft waren
es auch nur normale Kopfschmerzen.
Im Frühjahr 2008 fiel mir dann vermehrt auf, dass die
Kopfschmerzen immer von der selben Stelle ausgingen. Als ich das
meiner Mama erzählte, war sie sofort alarmiert. Meine Mama hat mir
dann bei unserem Hausarzt nach langer Diskussion eine Überweisung
zum MRT besorgt. Termin 4.08.2008. Das sollte der Tag werden, der
mein Leben verändert. An diesem Tag kam ich vor lauter Migräne fast
nicht aus dem Bett. Gott sei Dank wohnte ich damals nicht so weit vom
Aalener Ostalbklinikum entfernt. Aus diesem Grund konnte ich mich
aufraffen und bin dann doch los. Es war ein regnerischer, trüber
Tag. Als ich dort ankam wirkte endlich die Migränetablette
einigermaßen. Ich füllte den Fragebogen aus und wartete. Es war bis
dahin mein erstes MRT und daher war ich etwas aufgeregt. Als es dann
vorbei war, wurde ich in einen Nebenraum geführt zur Besprechung.
Meine Bilder hingen schon an den Leuchtwänden. Ein Blinder mit
Krückstock hätte auf den ersten Blick gesehen was nicht in meinen
Kopf gehört. Der Arzt kam dann auch nach einer gefühlten Ewigkeit.
Er sprach von einem mandarinengroßen Tumorgebilde in meiner linken
Schädelhälfte. Und ich dachte drüber nach ob er die großen
Mandarinen mit der dicken Schale oder die kleineren mit der dünnen
Schale meint. Naja er meinte die großen mit der dicken Schale. Er
fragte mich, ob ich gleich dort bleiben möchte. Meine Antwort war:
„Ne ne ich hab jetzt keine Zeit!“ und bin gegangen. Als ich aus
der Klinik draußen war rief ich sofort Zuhause an. Unter dem Schock
unter dem ich stand sagte ich zu meiner Mama am Telefon: „Houston
wir haben ein Problem. Es ist 5,5x5,7x4,5cm groß und muss
rausgemacht werden!“ Und so nahm alles seinen Lauf! Am nächsten
Tag waren wir in der Ambulanz des Bundeswehrkrankenhaus Ulm zur
Vorstellung. Die Stationäre Aufnahme war am 13.08.2008. Die OP fand
am 21.08.2008 statt. Nach der histologischen Beurteilung war es ein
ATYPISCHES GEFÄßREICHES MENINGEOM WHO GRAD 2 MIT
HÄMANGIOPERIZYTOMEN ERSCHEINUNGSBILD. Da es noch im WHO Grad 2
eingruppiert wurde, wurde keine weitere Therapie angesetzt.
Kontrollen jährlich. Puh gerade noch so davon gekommen.
Durch die Narbenbildung bekam ich sog. Fokale Ausfälle, welche
sich in extremen Wortfindungsstörungen äußerten. Sei waren recht
selten und schwächten sich mit der Zeit wieder ab.
Ich dachte ich habs geschafft.
2012 bei der jährlichen Kontrolle im Oktober wurde ein kleines
Rezidiv festgestellt und im Dezember nochmal bestätigt. Daraufhin
bin ich nach Krefeld zum Gamma Knife Zentrum. Dort bekam ich dann im
März 2013 nen Termin. Und siehe da aus eins mach fünf kleine
Rezidive, die ich dann alle auf einmal behandeln lassen hab.
Zwischendurch hatte ich immer öfter Rückenschmerzen auf Höhe
der Brustwirbel 11/12. Die übliche Antwort von den Orthopäden war:
„Machen Sie mehr Sport und stärken sie ihre Rückenmuskulatur!“
Gesagt getan. Im Juli war es dann so weit. Ich hatte extreme
Schulterschmerzen. Zuerst versuchte ich es auf eigene Faust. Als die
Schmerzen die Bewegung meines Armes komplett unmöglich machten ging
ich wieder zum Arzt. Dort bekam ich von Muskelentzündungen bis
Sehnenentzündungen alles zu hören. Es wurde gespritzt und
Schmerzmittel verschrieben. Es wurde nicht besser. Da mein Arzt dann
im Urlaub war ging ich zur örtlichen Urlaubsvertretung. Diesen
informierte ich selbsverständlich über meine vergangene
Krankengeschichte und mein aktuellen Hirntumore. Er machte ein
Röntgenbild, lehnte aber CT und MRT Untersuchungen ab. Auch nachdem
sich mein Schlüsselbein auf unerklärliche Weise ca. 4cm schmerzhaft
vorwölbte war er nicht bereit mich in ein MRT zu schicken. Er
spritzte mir nochmals was in die Schulter und es wurde etwas besser.
Ich habe dann auf eigene Faust meinen Neurochirurgen, welcher ja
meine Hirntumore kontrollierte, konsultiert und um MRT Aufnahmen von
HWS und BWS gebeten. Er willigte ein und eine Woche später war ich
zum MRT der HWS. Der Radiologe wurde kreidebleich als er meine Bilder
begutachtete. Die Knochenstruktur war abnormal verändert und
teilweise waren Halswirbel nicht mehr komplett. Nach den restlichen
MRT Aufnahmen war klar, dass meine Wirbelsäule einem Schweizer Käse
glich, da sie durch lauter Osteolysen zerfressen war. Auch auf dem
Röntgenbild des Orthopäden hätte man, falls man Röntgenbilder
lesen kann, ganz klar den wahren Grund der Schmerzen erkennen können.
Aber naja dem war nicht so. Der Orthopäde verweigerte unter anderem
auch die Begutachtung der MRT Aufnahmen. Schlimm Schlimm.
Es war soweit. Ich hatte einen neuen Krebs. Um diesen zu bestimmen
musste eine Probe aus einem großen Tumor am Brustwirbel 12 entnommen
werden. Zur Vollständigen Bestimmung der Krebsart und auch der
folgenden Therapie reichte dieses Material leider nicht aus.
Am 24.10.2013 wurde der Tumor am BWK12 komplett entfernt. Die OP
verlief gut und ohne Komplikationen.
14 Tage später bekam ich immer stärkere Nackenschmerzen und
konnte nicht mal mehr an Bewegung denken und schon verkrampfte sich
alles. Kein Schmerzmittel, welches ich zuhause hatte half dagegen. Am
12.11. wachte ich auf und kam nicht mal alleine aus dem Bett. Mein
Mann und ich zogen mir eine Jogginghose und eine Joggingweste an, da
ich nicht mal mehr ein Shirt über mein Kopf brachte. Wir sind direkt
zum Neurochirurgen meines Vertrauens in die Praxis gefahren.
Ich hätte beinahe den Weg vom Auto bis in die Praxis nicht
geschafft vor lauter Krämpfen. Mein Arzt hat mich direkt an eine
Kortisoninfusion gehängt und mich direkt im MRT angemeldet. Da
stellte man dann fest, dass mein 3. Halswirbelkörper nur noch ein
ca. 2cm großes Fragment war und mein Hals eigentlich nur noch aus
Gewohnheit und Dank der Sehnen und Muskeln im Hals- und
Schulterbereich zusammenhielt. Als ich wieder bei meinem Arzt war
erklärte er mir, dass ich einen Halswirbelersatz bräuchte und er
mich gleich übermorgen operieren kann, da er die nötigen
Ersatzteile erst dann da haben wird. Also wurde mir am 14.11. ein
künstlicher Halswirbel eingesetzt. Auch diese OP verlief gut.
Ende November wurde mir unter örtlicher Betäubung dann ein Power
Port eingesetzt. Horror pur, nicht von den Schmerzen her, sondern vom
Erlebnis an sich.
Am 3.12. war dann der erste histologische Befund aus der
Pathologie vorhanden. Es lautete Hämangioperizytom.
Auf Grund dessen und der diversen Knochendefekte wurde mit einer
Bisphosphonattherapie begonnen.
Mitte Dezember wurden dann meine Schmerzen im Schulter-
Schlüsselbein Bereich wieder stärker. Daraufhin wurden MRT
Aufnahmen der HWS/BWS und LWS angefertigt.
Auf Grund der Ergebnisse wurden mir am 8.1.2014 am
Brustwirbelkörper 1 und 2 Tumore und Wirbelbögen entfernt.
Am 21.1.2014 hatte ich in der Orthopädischen Klinik Markgröningen
ein Aufnahmegespräch zur Wirbelsäulenversteifung um einer
Querschnittslähmung vorzubeugen. Am 24.1.2014 wurde vom
Brustwirbelkörper 11 bis S1 versteift.
Am 17.2.2014 wurde mit einer Chemotherapie begonnen. Das
Medikament hieß: Caelyx (Doxirubicin in Liposomen). Man hat dieses
Medikament verwendet, da ich vom normalen Doxirubicin 1988 schon eine
Lebensdosis bekommen hatte und dieses somit nicht mehr verwendet
werden konnte. Bei der ersten Gabe hatte ich einen allergischen
Schock. Darum bekam ich vorneweg bei jedem Zyklus Kortison, Fenistil
und was gegen Übelkeit gespritzt.
Im März 2014 wurden Becken, Hüfte und Lendenwirbelsäule
bestrahlt zur Schmerzlinderung.
Im August 2014 wurde der Schultergürtel ebenso zur
Schmerzlinderung bestrahlt.
Im August 2014 wurden allerdings die Schmerzen im
Lendenwirbelbereich wieder stärker. Im MRT zeigte sich, dass am LWK4
wieder ein neuer Tumor gewachsen war, welcher sich um den Nerv in dem
Bereich legte und draufdrückte.
Als Nachwirkung der Bestrahlung des Schultergürtels hatte ich
eine sehr starke Speiseröhrenentzündung und gleichzeitig
verschlimmerten sich die Schmerzen im Bereich des LWK4.
Im August 2014 war ich zur Einholung einer Zweitmeinung im NCT
Heidelberg in der Sarkomsprechstunde.
Als die Speiseröhrenentzündung überstanden war, wurde ich im
Oktober 2014 in der orthopädischen Klinik Markgröningen am LWK 4
zur Tumorreduktion operiert.
Im November 2014 wurde mit einer neuen Langzeit- Therapie
begonnen. Eine Therapie mit Tabletten. Thyrosinkinaseinhibitor
VOTRIENT. Die Therapie läuft bis heute.
Hallo Albert, ich bin zufällig auf deinen Blog gestoßen und da ich durch meine Mutter viel mit Tumoren mitmachen musste, war ich gleich interessiert, dies zu lesen.
AntwortenLöschenMeine Mutter hatte bereits 3 Tumoren und sie ist dazu veranlasst immer wieder einen zu haben- leider weiß man nicht in welchem Abstand.
Jedenfalls genau das, was sie mir immer gesagt hat, habe ich bei dir gespührt: solange der Lebenswille und die Lebenskaft wach gehalten wird übersteht man alles, man muss sich nur anpassen können und trotzdem die positiven Dinge im Leben sehen.
TOI TOI TOI weiterhin :-)
Bei mir breitet sich der Krebs ja immer weiter aus! Dennoch werde ich nie meinen Optimismus nicht verlieren! Zumindest nicht freiwillig!
AntwortenLöschenIch versuche mein normales Leben so lange wie möglich zu leben und genießen